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Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung

Abschied nach 21 Jahren: Werner Wirths Einfluss auf die Kommunikationswissenschaft und das IKMZ

Mit seinem 65. Geburtstag verabschiedet sich Professor Werner Wirth vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IKMZ). Als Professor für Empirische Kommunikationswissenschaft seit 2003 hat er das Institut in den letzten 21 Jahren in besonderer Weise geprägt, sei es als führender Forscher, als Experte in der Methodenausbildung oder als engagierter Institutsleiter.

Vordenker der Medienpsychologie

Als Rezeptions- und Wirkungsforscher hat Werner Wirth insbesondere medienpsychologische Fragestellungen in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. Wie ein roter Faden zieht sich sein starkes Interesse an der Wechselwirkung von kognitiven und emotionalen Prozessen durch seine Forschung. Er steht für eine kommunikationswissenschaftliche Denkrichtung, die ein umfassendes Verständnis emotionaler und kognitiver Prozesse anstrebt.

Diese integrative Sichtweise wandte er auf verschiedene Forschungsfelder an, darunter Unterhaltung, Infotainment, Populismus und Wissensklüfte. Besonders hervorzuheben ist seine Entwicklung des EMR-Modells, das Unterhaltung als Makroemotion begreift, bei der kognitive Bewertungsprozesse eine zentrale Rolle spielen. Werner Wirth plädierte für ein breiteres Verständnis von Unterhaltung, das auch die Suche nach Lebenssinn und Selbsterfahrung einschliesst, und nicht nur maximalen Spass.

Seine Arbeiten zur Infotainment-Forschung brachten eine neue Perspektive, indem er Infotainment als komplexes Rezeptionsphänomen definierte, das affektive und kognitive Elemente miteinander verbindet. Sein Ansatz, für den er innovative Messinstrumente entwickelte, fand breite Anerkennung und wurde von anderen Forschern aufgegriffen und weiterentwickelt.

Auch in der politischen Kommunikation, insbesondere in der Populismusforschung, leistete er Pionierarbeit. Seine Forschung kombinierte die emotionalen und kognitiven Reaktionen auf populistische Kommunikation und erweiterte damit das Verständnis populistischer Einstellungen und politischer Beteiligung.

Seine Dissertation zur Wissenskluftforschung legte den Grundstein für die Integration kognitiver und affektiver Prozesse und zeigte auf, dass unterschiedliche Rezeptionsformen ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Wissensklüften spielen. Ausführlich gewürdigt wurden seine Beiträge in einer von Holger Schramm, Jörg Matthes und Christian Schemer herausgegebenen Festschrift zum 60. Geburtstag von Werner Wirth mit dem Titel «Emotions Meet Cognitions - Zum Zusammenspiel von emotionalen und kognitiven Prozessen in der Medienrezeptions- und Medienwirkungsforschung». 

Ein Meister der Methodenausbildung

Ein weiterer Eckpfeiler der Tätigkeit von Werner Wirth am IKMZ waren seine herausragenden methodischen Kenntnisse. Methoden waren für ihn nicht nur Werkzeuge, sondern wesentliche Bausteine der Wissensproduktion. Er gehörte zu den wenigen Kommunikationswissenschaftlern, die sich für die Entwicklung eines eigenständigen Methodenkanons des Faches einsetzten. Er war Mitbegründer und erster Sprecher der Fachgruppe Methoden der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) und hat die Methodenentwicklung der letzten 25 Jahre massgeblich geprägt.

Am IKMZ konzipierte er das Methodencurriculum und prägte mit seinen Lehrveranstaltungen Generationen von Studierenden. Seine Statistikvorlesungen galten als legendär, aber auch als anspruchsvoll. Sein Engagement in der Methodenausbildung hat wesentlich dazu beigetragen, dass das Fach heute von den Nachbardisziplinen ernster genommen wird. Mit der Verankerung der Methodenausbildung im Curriculum des IKMZ schuf er die Grundlage für den nachhaltigen Erfolg des Instituts und seiner Mitarbeitenden. Er prägte die sozialwissenschaftlich-empirische Ausrichtung des IKMZ, ohne andere Ansätze zu vernachlässigen.

Ein engagierter Institutsdirektor

Als Direktor des IKMZ von 2013 bis 2017 zeichnete sich Werner Wirth durch sein Streben nach transparenten, fairen und nachvollziehbaren Entscheidungen aus. Er begleitete die Besetzungen wichtiger Professuren und führte das Institut durch eine externe Evaluation. Seine Initiativen, darunter die Einführung eines neuen Doktoratsprogramms und die Überarbeitung des Bachelor-Lehrprogramms, haben das Institut zukunftsfähig gemacht und seine Position in der akademischen Landschaft gestärkt.

Wirth war massgeblich an der Entwicklung der vier Masterschwerpunkte des IKMZ beteiligt und förderte neue Kooperationen, unter anderem mit dem Schweizer Fernsehen. Seine Bemühungen, die Lehre zu verbessern und die Arbeitslast gerechter unter den Dozierenden zu verteilen, fanden breite Anerkennung. Er setzte sich für die Nachwuchsförderung und die verbesserte Kommunikation im Mittelbau ein. Er hinterlässt ein bedeutendes Vermächtnis in der Kommunikationswissenschaft, das weit über seine Zeit am IKMZ hinausreichen wird.

Bei einem Abschiedsevent am 17. September 2024 (selbstverständlich mit gutem Wein, den Werner auch stets zu schätzen wusste) dankte ihm das Institut für sein grosses Engagement. Werner, du hast das IKMZ und die Kommunikationswissenschaft nachhaltig geprägt.

Frank Esser

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